Schreibtisch, Sofa, Sessel – Das Mobiliar der Manns

Essay

Man spricht viel über Thomas Manns Werke, sein Exil, seine Gedankenwelt – aber nur selten über das, was ihn dabei trug, stützte, umgab: das Mobiliar.
Es war mehr als nur Kulisse – es war Infrastruktur des Denkens, Bühne der Repräsentation und Zufluchtsort in langen Gedankennächten. Hier ein Blick auf drei Möbelstücke, die Thomas Manns literarisches Leben begleitet haben.

Der Schreibtisch – Ort der Weltliteratur

Arbeitszimmer, Poschingerstraße 1, München, 1915

Ein schwerer Holztisch, akkurat platziert im Zentrum des Raumes. Kein Schnörkel zu viel, aber deutlich: Hier wurde gearbeitet – mit hanseatischer Disziplin.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Friedrich Müller / Theodor Hilsdorf / TMA_4358

Pacific Palisades, USA, 1942–1952

Ein Schreibtisch im Exil – mit Blick auf den Pazifik. Hier schrieb Mann an Doktor Faustus, dachte über Demokratie und Exilantendasein nach – und überlegte, ob amerikanische Stühle das gleiche Rückgrat bieten wie Münchner.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt / TMA_5339

Das Sofa – Bühne des Gedankenaustauschs

Arbeitszimmer, Kilchberg, Schweiz, ca. 1956

Dunkel, tief, einladend – das Sofa in Kilchberg war mehr als ein Ruhepol. Es war Denkraum, Debattenarena, und gelegentlich auch Ort des Rückzugs. Wer darauf Platz nahm, riskierte, in ein Gespräch über Nietzsche verwickelt zu werden.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Photographisches Institut der ETH Zürich / TMA_4256

Wohnzimmer, Pacific Palisades, 1940er Jahre

Hell, amerikanisch-offen, mit Blick ins Grüne – das Sofa dort war wohl Zeuge vieler Gespräche mit Besuchern wie Adorno, Brecht oder Alma Mahler. Ob darauf gelacht wurde? Vielleicht. Wahrscheinlicher: gestritten über Thomas Manns Rolle als Exil-Gewissen Europas.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf unbekannt / TMA_1014

Der Sessel – Denkstuhl und Rückzugsort

Gartenstuhl, 1907

Ein leicht morbider Charme umweht diesen Gartenstuhl. Thomas Mann, noch jung, sitzt darin mit der Haltung eines Mannes, der bereits einen inneren Monolog führt.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt / TMA_0047

Sessel, Pacific Palisades, 1941

Hier begegnet uns der Sessel als Symbol: weich gepolstert, aber mit aufrechter Haltung. Ein Möbel für jemanden, der stets wusste, dass Denken auch Haltung braucht – körperlich wie geistig.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt / TMA_3031

Wohnzimmer Pacific Palisades

Thomas Manns Möbel erzählen nicht bloß Geschichten – sie sind Geschichten.
Sie tragen Spuren von Asche, Tinte, Gesprächen und Gedanken. In ihrer stillen Präsenz begleiten sie den Autor durch Epochen, Räume und Ideologien. Und vielleicht, ganz vielleicht, haben sie mehr über die deutsche Literaturgeschichte zu erzählen, als so mancher Zeitgenosse.

Thomas Mann, Katia Mann und Klaus Mann auf einem Sofa sitzend.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt / TMA_0466

Über die Autorin

Marie Limbourg ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Buddenbrookhaus – Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum in Lübeck und Doktorandin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Dissertation widmet sich dem Werk und Erzählen Walter Kempowskis. Zuvor war sie als Referentin für Gremien- und Projektmanagement bei der Geschäftsstelle der Rhein-Main-Universitäten und als Koordinatorin des Forschungsverbunds Marbach Weimar Wolfenbüttel am Deutschen Literaturarchiv Marbach tätig. Sie ist im Sprecher:innen-Team der Jungen Deutschen Schillergesellschaft und  des Jungen Forum Thomas Mann (Junge Abteilung der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft).