Being Bi. Mixed-race und mixed-up mit Thomas Mann

Essay

Thomas Mann hatte eine wenig bekannte Herkunft: Seine Mutter, Julia da Silva-Bruhns, war Brasilianerin mit Wurzeln in der afro-brasilianischen Kultur und einer Geschichte, die eng mit Kolonialismus und Sklaverei verknüpft ist. In ihrem Essay beleuchtet die gefeierte Autorin Mithu Sanyal (IDENTITTI), wie diese verdrängte Familiengeschichte nicht nur Manns Werk, sondern den gesamten deutschen Literaturkanon nachhaltig geprägt hat.

Julia Mann-da Silva Bruhns hält Julia Mann auf den Armen, daneben stehen Heinrich Mann und Thomas Mann.

Alles begann mit einer toten Frau mit einem toten Baby an der Brust, doch das wusste ich nicht, als ich meinem Roman IDENTITTI schrieb und meine Hauptfigur Nivedita erklären ließ, warum sie ein solcher Abgrund vom literarischen Kanon trennt:

Weil es Menschen wie mich im geschriebenen Universum schlicht nicht gibt. Zumindest nicht im uns bislang bekannten Universum. Die Schriftstellerin Zadie Smith erinnert sich, dass sie in ihrer Jugend ‚als einzigen Leitstern nur den alten, abgedroschenen Pappkameraden des „tragischen Mulatten“ hatte.

Ich erinnere mich gut, und erst einmal die tragische Mulattin, oh Mann!

Sollten wir es doch irgendwie in eine Geschichte hineinschaffen, war es stets nur eine Frage der Zeit, bis wir unserer illegalen Existenz ein Ende setzten, indem wir uns selbst umbrachten oder einen anderweitig tragischen Tod starben, schließlich konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Death by unimaginability.

Das erste Buch mit einem mixed-race-Ich-Erzähler war DER BUDDHA AUS DER VORSTADT von Hanif Kureishi. Das war 1990! Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Neunzehnhundertneunzig! Und davor gab es uns komplett nur als Ausrutscher, als Unfall, als menschlicher Makel.

- Mithu Sanyal: IDENTITTI (2021)

Blutzucker: Eine Literaturfamilie und ihre Plantagengeschichte

Es ist kein Zufall, dass alle Referenzen, derer sich Nivedita bedient – also alle, die ich zu diesem Zeitpunkt kannte - aus der englischsprachigen Literatur stammen. In Deutschland ist being mixed-race ein so unvorstellbares Konzept, dass wir nicht einmal ein deutsches Wort dafür haben. Okay, wir haben Worte dafür wie: Rassenmischung. Bloß gibt es keine Menschenrassen, so dass man sie auch nicht mischen kann, und der von der Rassenlehre prognostizierten Niedergang durch diesen vermeintlich schädlichen Mix ist ebenfalls Unfug und ideologischer Unfug noch dazu.

Aber ‚mixed-race‘ ist doch nur ‚Rassenmischung‘ auf Englisch?

Keineswegs.

Wo das deutsche Wort ‚Rasse‘ auf dem biologischen Konzept von genetisch unterschiedlichen Abstammungslinien - das inzwischen sogar in Bezug auf Tiere obsolet ist – basiert, hat das englische Wort ‚race‘ eine Bedeutungsverschiebung durchlaufen und verweist heute auf die soziale Konstruiertheit von race. Das heißt nicht, dass jede Person, die ‚race‘ sagt, das mitreflektiert oder auch nur weiß. Aber es ist zumindest in dem Wort enthalten, während ‚Rasse‘ nur Rasse bedeutet und sonst nichts.

Die deutsche Sprache und Literatur hinken der englischen um Jahrzehnte hinterher, denn: The Empire writes back!

Und dann fand ich heraus, dass Thomas Mann - Thomas-wo-ich-bin-da-ist-Deutschland-Mann – mixed-race war. Seine Mutter war Brasilianerin und er fühlte sich sein Leben lang ... irgendwie anders.

So wie ich.

Warum wurde uns das nicht in der Schule im Deutschunterricht beigebracht? Anstatt uns Thomas als hyperdisziplinierten Mann nahezubringen, der jeden Morgen von exakt 9 bis 12 Uhr schrieb und auch ansonsten alles klar geregelt anging – also das genaue Gegenteil von Jugendlichen, die sich nach Exzessen und Grenzüberschreitungen sehnten.

Zivilisierung der dunklen Julia

Auch im Germanistikstudium, in dem wir die Manns autobiographisch hoch und runter lasen, erfuhr ich nichts über Julia Mann, geboren 1851 als Julia da Silva-Bruhns in Paraty. Über Julia, die niemals nach Lübeck gekommen wäre und niemals Thomas Johann Heinrich Mann geheiratet hätte, wenn ihre Mutter Maria Luísa da Silva nicht bei der Geburt ihres 6. Kindes gestorben wäre. Julia erinnert sich an die tote Mutter mit der Leiche ihrer tot geborenen Schwester an der Brust wie an einen Schlusspunkt. Da war Julia 5 Jahre alt. Ein Jahr später schickte ihr Vater Johann Ludwig Hermann Bruhns, ein deutscher Auswanderer, sie und ihre Schwester in seine Geburtsstadt Lübeck, wo die Hautfarbe der da Silva-Bruhns Mädchen so viel Aufmerksamkeit erregte, dass Kinder ihnen lachend und rufend durch die Straßen folgen. Doch Julia verstand keinen dieser Rufe, weil sie kein Wort Deutsch sprach.

Veronika Fuechtner, Professorin für German studies, Jewish studies und Gender studies am Dartmouth College, New Hampshire, bezeichnet Julias Internatszeit in Lübeck als einen Prozess der gewaltsamen „Zivilisierung“, mit dem der dunklen Julia die „N-Wort-Erziehung“ ausgetrieben werden sollte. Denn in Brasilien war sie unter der Obhut der Schwarzen Amme Anna aufgewachsen, von Anna lernte sie afrobrasilianische Folksongs - die Julia später ihren Kindern und Enkeln vorsingen und die Klaus Mann für sehr gewagt halten würde – und einen synkretischen Katholizismus, in dem die ganze Welt beseelt war. Dieser Glaube an Magie und Wiedergeburt wurde ihr in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Leib geprügelt.

Und ich glaube es ist das, mehr als alles andere, was mich an der Geschichte zutiefst berührt und meinen Blick auf die deutsche Literatur auf den Kopf stellt: Thomas Manns Mutter ist wie mein Vater in dem festen Glauben an Wiedergeburt aufgewachsen!


Julia Mann-da Silva Bruhns, Mutter von Thomas Mann. Brustbild, Halbprofil nach rechts.

Julia Mann-da Silva Bruhns, Mutter von Thomas Mann, ca. 1870.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf:in: Unbekannt / TMA_1287

Links: Vater Thomas Manns, Thomas Johann Heinrich Mann. Rechts: Mutter Thomas Manns, Julia da Silva Bruhns, mit den Kindern Julia, Heinrich und Thomas 1879 in Lübeck.

Links: Thomas Manns Vater, Thomas Johann Heinrich Mann. Rechts: Thomas Manns Mutter, Julia da Silva Bruhns, mit den Kindern Julia, Heinrich und Thomas im Jahr 1879 in Lübeck.

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf:in: Unbekannt / TMA_5229

Julia Mann-da Silva Bruhns, Mutter von Thomas Mann. Ganzaufnahme von halbrechts hinten, Profil nach rechts.

Mit handschriftlicher Widmung von Julia Mann-da Silva-Bruhns auf der Rückseite: "Zur gelegentlichen Erinnerung an 'die gnädige Frau'. April 1900".

Fotograf*in:
Franz Werner, München

Aufnahmeort:
München

Datierung:
1900

Eine Ganzkörperaufnahme von Julia Mann-da Silva Bruhns.

Auf der Rückseite befindet sich eine handschriftliche Widmung von Julia Mann-da Silva Bruhns: "Zur gelegentlichen Erinnerung an 'die gnädige Frau'. April 1900."

ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Franz Werner / TMA_1293

Die gelöschte Verbindung

All das wissen wir aus Julia da Silva-Bruhns Autobiographie AUS DODOS KINDHEIT, die sie 1903 schrieb, und die Veronika Fuechtner als Urtext der Familie Mann bezeichnet: Julias lebenslange Sehnsucht nach Brasilien; ihre verlorene Muttersprache, die sie in dem selben Maße verlernte wie sie Deutsch erlernte; ihre Fremdheit in der Lübecker Bürgergesellschaft, der Thomas Mann in fast jedem seiner Romane ein Denkmal setzte, man muss nur an die „dunkle und feurige Mutter“ Tonio Krögers denken, die sein Vater „von ganz unten auf der Landkarte heraufgeholt“ hatte.

Tatsächlich erklärte Thomas Mann in einem Interview mit dem brasilianischen Schriftsteller Sérgio Buarque de Holanda, die Herkunft seiner Mutter sei für das Verständnis seiner Literatur und der seines Bruders zentral und zwar mehr als alle europäischen Einflüsse. Mehr als alle europäischen Einflüsse!

Die akademische Angst vor hybriden Erzählungen

Warum ist Thomas Manns brasilianischer Hintergrund dann so wenig erforscht? Warum dauerte es bis 2018 bevor die erste Biographie Julia Manns erschien?

„In der Forschungsliteratur heißt es oft: Er hat nicht darüber gesprochen, also ist es auch nicht relevant“, erklärt Veronika Fuechtner. „Aber es ist wichtig, dieses Schweigen zu lesen. Wenn er die Herkunft seiner Mutter überhaupt thematisierte, sprach von Latinität. Und ich finde den Begriff Latinität in diesem Kontext hochinteressant, weil er diese brasilianische Geschichte europäisiert, sie in einen europäischen Süden anstelle eines globalen Südens verlagert.“ Allerdings lag das, wie Fuechtner fortfährt, weniger an Manns Scham über sein mixed-race sein als eher am Rassismus des deutschen Kaiserreichs. Cancel Culture im Kaiserreich? Und der große unbeugsame Thomas Mann ließ sich davon beeindrucken? So sehr, dass er die Veröffentlichung von Julias Memoiren stets blockierte. Tatsächlich erschien AUS DODOS KINDHEIT erst nach Thomas Manns Tod.

Dieser Artikel erschien ursprünglich als Video in der Reihe "Literatur modern – Thomas Mann heute".

Die Videoreihe 'Literatur modern – Thomas Mann heute' bringt neue Perspektiven auf Thomas Manns Werk: Zehn Gegenwartsautor:innen, darunter Katharina Adler, Usama Al Shahmani und Mithu Sanyal, setzen sich kritisch mit seinem literarischen Erbe auseinander. Besuchen Sie thomasmanninternational.com für weitere Informationen.

Sehen Sie Mithu Sanyals Lesung von "BEING BI" hier:

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Doch ich glaube, dass es noch eine andere Erklärung für seine Zurückhaltung gab. Für das laute Schweigen, für das für alle sichtbare Geheimnis. Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck: hidden in plain view. Ich habe den Verdacht, dass er nicht darüber gesprochen hat, weil es keine Sprache dafür gab.

Thomas Bruder Heinrich Mann ging offensiver damit um, so wie er mit vielem offensiver umging. 1907 veröffentlichte er den Roman „Zwischen den Rassen“ dessen Heldin Lola offensichtlich auf Julia basiert. Die Kritik von Carl Korn in DIE NEUE ZEIT von 1907/08 war vernichtend: „Die Heldin des Romans stammt von einer brasilianischen Mutter und einem deutschen Vater ab, und der Verfasser will zeigen, wie sie heimatlos zwischen den Rassen steht, wie das südliche Blut der Mutter und die soliden, vom Vater ererbten Richtungslinien ihres Wesens Konflikte in ihr verursachen, in denen es für sie, so oder so, bloß Wunden gibt. In Wirklichkeit, da diese Konflikte fast nur auf erotischem Gebiet durchgekämpft werden, ist das Problem kein tragisches, sondern das alte triviale Weh und Ach der Hysterischen“.

Man muss das Wort Rasse noch nicht einmal durch race ersetzen, um Korns Rezension eins zu eins mit den e-mails and Facebook-Benachrichtigen zu vergleichen, die ich nach dem Erscheinen meines Romans über being mixed-race bekam, und die mir mitteilten, dass Nivedita nun wirklich gar keine Probleme hätte und sich nur anstelle. Als wäre eine andere Subjektivität nur dann relevant, wenn sie von schlimmen Problemen berichtet.

Nazis, N-Worte und die Erfindung des 'Deutschtums'

Die es natürlich auch gab. So mögen wir heute zwar nicht an Thomas Mann als Autor mit Migrationshintergrund (versus seines Migrationsvordergrundes, als er in den 30er Jahren in die USA floh) denken, die Nazis aber schon. Die Zeitung ANGRIFF forderte 1932: „Wir müssen mit aller Schärfe verlangen, daß diese schreibende Mischung zwischen Indianern, Nxxxxx und Mauren und weiß der Teufel was sonst noch sich nicht mehr ,deutscher Dichter und Schriftsteller‘ nennen darf.“ Wenn man sich auf eines verlassen kann, dann darauf, dass Faschisten das N-Wort bei allen passenden und auch nur vage passenden Gelegenheiten in den Diskurs werfen.

Das Exil änderte Thomas Manns Haltung zu seiner Herkunft. Er bezeichnete seine verzweigte Familiengeschichte nun als das, was ihn zum Kosmopoliten mache und schrieb in einem Brief an den Antifaschisten Karl Lustig-Prean, Brasilien sei sein Mutterland. In Brasilien sieht man das übrigens genauso. Darüber hinaus bildeten seine Rassismuserfahrungen eine Brücke zum intimeren Verständnis der Antisemitismuserfahrungen seiner Frau Katja. Zumindest übersetze ich mir das so, wenn Thomas über die Parallelen zwischen seinem Mixed-race sein und dem Jüdisch-sein schreibt. Und bei ihren Spaziergängen durch Los Angeles erzählte Thomas Mann seinem Lieblingsenkel Frido endlose Geschichten über Julia. Julia ist zentral für das Verständnis von Thomas und Brasilien ist zentral für das Verständnis von Julia Mann.

Tropisches Erbe, hanseatischer Geist: Die zwei Seelen des Thomas Mann

Denn Julia sehnte sich ihr Leben lang nach dem Paradies ihrer Kindheit, vor allem nach ihrer Schwarzen Ziehmutter Anna, die ihr die Haare gelockt hatte, damit Julia ihr ähnlicher sah. Sogar ihren Rufname Dodo, – wie in „Aus Dodos Kindheit“ – hatte sie von Anna. Dodo ist ein afrobrasilianisches Kosewort, das klein und liebenswert bedeutet.

Doch hat diese Geschichte noch eine andere Seite, denn Anna war keine Angestellte, sondern eine Sklavin und Julias engste Freundin, Annas Tochter Luciana, war höchstwahrscheinlich Julias Halbschwester und die uneheliche Tochter von Johann Bruhns. Thomas Manns Großvater war ein massiver Sklavenhalter. Nachdem Bruhns seine Töchter in Lübeck abgeliefert (und seine Schwägerin geheiratet) hatte, ging er zurück nach Südamerika, um sich um seine Kaffee- und Zuckerplantagen zu kümmern. Und das Plantagensystem war unvorstellbar brutal. Sogar unter guten Umständen starben 5% der Sklaven im ersten Jahr.

Brasilien war das Land mit den meisten Sklaven, gleichzeitig war es eine sehr hybride Gesellschaft, in der Ehen zwischen Schwarzen und Weißen Alltag waren. Obwohl Thomas Manns Mutter in der Regel portugiesisch geframed wird, um sie „weißer“ zu machen, hatte sie wahrscheinlich Schwarze und definitiv indigene Vorfahren. Being mixed-race war für die Manns auf mehr als einer Ebene Thema - und zu gleichen Teilen Bedrohung wie Sehnsucht.

Hybride Herkunft als radikale Literaturtheorie

Wie sehr wünschte ich mir, ich hätte mich in der Schule und im Studium an Thomas Manns Auseinandersetzungen abarbeiten können. Und zwar nicht nur an den Produktiven, sondern auch an den Schrägen und Exotististischen. So wird „Südlichkeit“ von ihm als Quelle von Musikalität (seine Mutter hat so schön gesungen) und Kreativität (na ist ja klar wessen) gewertet, während der Norden für Intellekt und Stabilität steht. Überhaupt zieht sich die Beschäftigung mit dem Norden und dem Süden durch sein ganzes Werk. Noch in seiner Nobelpreisrede sagte er: „Der Süden, das ist ... der Inbegriff alles geistig-sinnlichen Abenteuers, der kalten Leidenschaft des Künstlertums; der Norden dagegen ist der Inbegriff aller ... bürgerlichen Heimat“. So sehr er sich auch damit identifizierte Schriftsteller zu sein, lag darin immer etwas Gebrochenes. Dieser Teil seines Seins war für ihn nie einfach und selbstverständlich. Und auch daran wünschte ich, hätte ich mich abarbeiten können.

Aber vor allem wünsche ich mir, dass der deutsche Literaturbetrieb sich daran abarbeitet: Das deutscheste Herz der deutschen Literatur war mixed – das Herz der deutschen Literatur ist mixed!

Über die Autorin

Mithu Sanyal ist eine preisgekrönte deutsche Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Journalistin, die etablierte Narrative zu Identität, Gender und Postkolonialismus kritisch hinterfragt. Geboren 1971 in Düsseldorf als Tochter eines indischen Vaters und einer polnisch-deutschen Mutter, verbindet sie in ihrer Arbeit persönliche Erfahrungen mit tiefgehender kulturwissenschaftlicher Analyse.

Ihre einflussreichen Sachbücher VULVA. DIE ENTHÜLLUNG DES UNSICHTBAREN GESCHLECHTS (2009) und VERGEWALTIGUNG: ASPEKTE EINES VERBRECHENS (2020) verbinden wissenschaftliche Präzision mit erzählerischer Zugänglichkeit und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ihr gefeierter Debütroman IDENTITTI (2021), der für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde und in sieben Sprachen erschienen ist, setzt sich auf humorvolle und zugleich tiefgründige Weise mit Identitätspolitik, Rassismus und kultureller Aneignung auseinander. Ihr aktueller Roman ANTICHRISTIE (2024), der es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte, kombiniert innovative Elemente wie Zeitreisen mit postkolonialer Theorie und Kriminalliteratur.

Als Gründungsmitglied des PEN Berlin engagiert sich Sanyal aktiv für die Meinungsfreiheit und schreibt regelmäßig für renommierte Medien wie den WDR, DIE ZEIT und THE GUARDIAN. Für ihren scharfsinnigen Intellekt und ihren Humor wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dietrich-Oppenberg-Medienpreis und dem Ernst-Bloch-Preis.

Bild: © Regentaucher

Sehen Sie Veronika Fuechtners Vortrag „The Magician’s Mother: A Story of Coffee, Race, and German Culture“

Veronika Fuechtner beleuchtet in ihrem Vortrag an der American Academy in Berlin eine wenig bekannte Seite der Mann-Familie: die brasilianischen Wurzeln von Thomas und Heinrich Mann. Im Mittelpunkt steht ihre Mutter Julia, die auf einer Kaffeeplantage in Brasilien aufwuchs und als Kind nach Deutschland kam.

Fuechtner zeigt, wie Julias Erfahrungen das Werk ihrer berühmten Söhne prägten. Thomas Manns Vorstellung vom "Deutschsein" sei stark von der Migrationsgeschichte seiner Mutter beeinflusst worden. Auch ihre Verbindung zur Kolonialwirtschaft habe Spuren in seinen Texten hinterlassen.

Die Forscherin stellt damit das Bild von Thomas Mann als Inbegriff deutscher Kultur in Frage. Sie plädiert dafür, den Literaturkanon neu zu betrachten und die multikulturellen Einflüsse stärker zu berücksichtigen. Migration und Rassismus hätten die deutsche Literatur nachhaltiger geprägt als oft angenommen.

Fuechtners Vortrag regt dazu an, die Werke der Mann-Brüder in einem neuen Licht zu sehen und über kulturelle Identität nachzudenken.

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