Felix Krull ist Hochstapler, Verführer, Meister der Inszenierung – und wie sein Schöpfer Thomas Mann ein Grenzgänger zwischen Wahrheit und Fassade. Wer ihn filmisch inszeniert, muss seine Figur nicht nur denken, sondern auch kleiden. Im Interview spricht die Kostümbildnerin Lara Marie Kainz über ihre Arbeit am hybride Dokumentarfilm „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“, über spielerische Prozesse, intuitive Entscheidungen – und darüber, wie ein Anzug zum Charakter wird. Eine Annäherung an das Äußere einer Figur, deren Inneres so viel über ihren Autor verrät.
Das Gespräch führte Marie Limbourg, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Buddenbrockhauses Lübeck, mit der Kostümbildnerin Lara Marie Kainz
Gab es ein vorgegebenes Konzept? Hier hörte ich ja gerade schon, dass Sie recht frei sein durften. Hier wäre auch die Frage nach einem Farbkonzept interessant.
Natürlich hatte André Schäfer, der Regisseur, schon eine klare Grundidee, aber er hat mir sehr viel Freiraum gegeben, um gemeinsam mit dem Darsteller Sebastian Schneider die Figur zu entwickeln. Als ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen hatte, wusste ich, in diesem Film muss Kostüm eine große Rolle spielen. Ein Farbkonzept gab es nicht, die meisten Entscheidungen traf ich intuitiv.
Wie gehen Sie an die Gestaltung der Kostüme für einen Film heran?
Ich bevorzuge es, Figuren nicht zu entwerfen, sondern entstehen zu lassen. Dafür arbeite ich sehr gerne aus einem Kostümfundus heraus und lasse mich dort inspirieren. Ich liebe es, mich treiben zu lassen und aus der Vielfalt der gesammelten Kostümteile schöpfen zu können. Der Theaterkunst-Fundus, in dem ich vor allem für den Film tätig war, ist ein wahrer Schatz. Außerdem ist die Nutzung des Fundus auch nachhaltiger und ich freue mich immer, besondere Kostümstücke daraus wieder ins Rampenlicht zu stellen.
Wie hat die Beschäftigung mit Thomas Mann die Kostüme beeinflusst?
Natürlich hat das Kostüm im Film wenig mit dem tatsächlichen Kleidungsstil von Thomas Mann zu tun. In unserem Film schaffen wir eine Kunstfigur, die Elemente Thomas Manns und seiner Romanfigur aus „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ vereint und ein neues Verständnis für Manns Leben und Werk vermitteln soll. Durch die intensive Auseinandersetzung mit Thomas Mann und Felix Krull ist es uns gelungen, einen befreiten Mann entstehen zu lassen, der selbstbewusst und gleichzeitig zart ist. Eine Figur, die in sich verliebt machen will und durch ihr Äußeres andere in ihren Bann zieht.
Was war Ihr Lieblingskostüm, das Sie designt haben, und warum? (In diesem Film.)
Ich muss sagen, ein Lieblingskostüm festzulegen, fällt mir sehr schwer. Die Anproben gemeinsam mit Sebastian haben unglaublich viel Spaß gemacht, und dabei sind mit ganz viel Leichtigkeit viele tolle Outfits entstanden. Wenn ich mich auf eines festlegen müsste, wäre es das erste, das ich für den Film kreiert habe. Es ist das Kostüm, das auf dem Plakat zu sehen ist. Als ich Sebastian zum ersten Mal in dem Kostüm gesehen habe, wusste ich, wohin die Kostümreise gehen wird. Für das Plakat haben wir ein Archivfoto von Thomas Mann als Vorlage genommen und es an dem originalen Ort im Pacific Palast mit Sebastian nachgestellt. Das war für uns alle im Team etwas ganz Besonderes, und wir haben uns Thomas Mann sehr nah gefühlt.
Inwiefern kann Kostümdesign als Akt des Widerstands gegen Geschlechternormen betrachtet werden?
Für mich hat Kleidung kein Gender und am wichtigsten für mich als Kostümbildnerin ist, dass das Kostüm die Figur lebendig macht und dem/der Schauspieler*in hilft, in die Rolle einzutauchen. Für mich muss das Gesamtoutfit passen und die Geschichte sowie den Charakter der Rolle stärken. Ich denke, es sollte niemanden mehr überraschen, wenn ein Mann zum Beispiel einen Rock trägt. Schließlich ist das in vielen Kulturen schon immer Teil der traditionellen Kleidung gewesen. Kleidung war, in meinen Augen, nie wirklich an Geschlechternormen gebunden, sondern immer auch Ausdruck von Kultur, Geschichte und persönlichem Stil.



