Auch siebzig Jahre nach seinem Tod beeindruckt sein Werk mehr denn je: durch den überbordenden Reichtum an Themen, Formen und Einsichten, durch Facettenvielfalt und Multidimensionalität. Es ist auch heute noch alles andere als eindeutig; das Bild des Romanciers, Novellisten, Essayisten, des Briefkorrespondenten und Tagebuchschreibers, des Notizensammlers und Reden haltenden, Interviews gebenden Thomas Mann (Musil nannte ihn einst einen „Großschriftsteller“) ist schwankend geblieben. Sicher ist nur: In seinem Werk ist wie bei kaum einem anderen Schriftsteller seine Zeit präsent, er ist der Diagnostiker seines Jahrhunderts gewesen, von dem in die Dekadenz verliebten Anfänger über das Ende seines antinomischen Denkens, das mit dem Ersten Weltkrieg kam, über seine Philosophie der „Mitte“ mit der Absage an jeglichen Radikalismus bis hin zum Humoristen, der am Ende mit der Welt nur noch spielt, aus dem Wissen um die Vorläufigkeit alles Seins. Doch er war kein Unpolitischer, er nahm teil – mit wachsender Skepsis gegenüber Entwicklungen in den späten Jahren seines Lebens. Sein Werk fasziniert – und beunruhigt immer noch. Und das ist gut.
Veranstaltet im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung Thomas Mann – Stationen seines Werkes, organisiert vom Studium Generale der Universität Freiburg.